Berufung in Österreich – Welche Arten von Rechtsmittel gibt es im Strafrecht? – Ihr Strafverteidiger Mag. Zaid Rauf

Die Berufung in Österreich:

Rechtsmittel im Strafrecht gelten nicht ohne Grund als die “Königsdisziplin” für Strafverteidiger, da das Verfassen von Rechtsmitteln besonders anspruchsvoll und an sehr enge formale Voraussetzungen geknüpft ist. 

Aufgrund meiner bisherigen Tätigkeit kann ich dieses Segment innerhalb des Strafrechts als meinen Schwerpunkt bezeichnen. 

Im Laufe meiner bisherigen juristischen Laufbahn konnte ich mir aufgrund des Verfassens zahlreicher Rechtsmittel viele Erfahrungen auf dem Gebiet der Rechtsmittel aneignen.

Was ist ein Rechtsmittel im Strafrecht?

Mit einem Rechtsmittel bekämpft man eine Entscheidung eines Gerichts in erster Instanz. Erste Instanz bedeutet, dass sachlich und örtlich zuständige Gericht, das über ein anhängiges Strafverfahren mit Urteil entscheidet. Ein Urteil kann für den Angeklagten positiv ausfallen und er wird von den Vorwürfen “freigesprochen”, oder aber auch negativ und es ergeht ein “Schuldspruch” und über den Angeklagten wird eine Strafe verhängt.

Diesen Schuldspruch kann der Angeklagte mit einem Rechtsmittel bekämpfen. Je nachdem welches Gericht die Entscheidung gefällt hat, stehen entsprechend der Strafprozessordnung unterschiedliche Rechtsmittel zur Verfügung.

Welche Rechtsmittel gibt es und wer entscheidet darüber?

Gegen Urteile des Bezirksgericht und des Landesgerichts als Einzelrichter (im Gegensatz zum Landesgericht als Schöffengericht), steht das Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe zur Verfügung. Darüber entscheidet ein Gericht höherer Ordnung – bei Rechtsmittel gegen Urteile des Bezirksgerichts entscheidet das LG in einem Senat aus drei Richtern und bei Rechtsmittel gegen Urteile des Landesgerichts als Einzelrichter entscheidet das Oberlandesgericht in einem Senat aus drei Richtern.

Gegen sogenannte “kollegialgerichtliche” Urteile (das sind Entscheidungen des Landesgerichts als Schöffengericht – also mit zwei Laienrichtern oder als Geschworenengericht – mit 8 Laienrichtern, wobei bei letzterem die Frage der Schuld ausschließlich von den Laienrichtern beantwortet wird) stehen die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zur Verfügung. Über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidet der Oberste Gerichtshof in einem Senat aus fünf Richtern, über die Berufung entscheidet das Oberlandesgericht in einem Senat aus drei Richtern.

Daneben  bietet die Strafprozessordnung auch noch die Möglichkeit Beschlüsse mit Beschwerde zu bekämpfen oder gegen bestimmte Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft im Stadium des Ermittlungsverfahrens Einspruch zu erheben.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist wohl auch die Haftbeschwerde gegen Beschlüsse über Verhängung oder Verlängerung der Untersuchungshaft sowie die Grundrechtsbeschwerde. Von Bedeutung ist auch die Beschwerde gegen Beschlüsse auf Widerrufe von bedingten Freiheitsstrafen, die jedoch gemeinsam mit den Berufungen und Nichtigkeitsbeschwerden eingebracht werden.

Was ist Gegenstand der Berufung wegen Nichtigkeit und der Nichtigkeitsbeschwerde?

Die Gründe für die Bekämpfung von Entscheidungen sind äußerst vielfältig und können durchaus als “eigene Wissenschaft” bezeichnet werden, die sich in erster Linie durch Kenntnis von Entscheidungen und der allgemeinen Spruchpraxis bewerkstelligen lässt.

Berufung wegen Nichtigkeit

Eine Berufung wegen Nichtigkeit bekämpft formale Gesichtspunkte des Verfahrens wie zum Beispiel,

  • ob die vom Richter festgestellten Tatsachen dem richtigen Gesetz unterstellt wurden oder ob sämtliche entscheidenden Tatsachen auch tatsächlich festgestellt wurden (Rechtsrüge),
  • ob die festgestellten Tatsachen auch rechtsstaatlich nachvollziehbar begründet wurden und sämtliche wichtigen und in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnisse auch im Urteil berücksichtigt wurden (Mängelrüge)
  • ob sämtliche Verfahrensvorschriften in der Hauptverhandlung eingehalten wurden (z.B. Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht von Angehörigen “Verfahrensrüge”).
  • ob bei der Strafbemessung das Gesetz richtig angewendet wurde (“Sanktionsrüge”).

Bei einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung wegen Nichtigkeit dürfen keine neuen Tatsachen vorgebracht werden. Der Rechtsmittelwerber darf sich auch nicht von den Urteilsfeststellungen entfernen. Das bedeutet, dass er sich ausschließlich auf die im Urteil festgestellten Tatsachen beziehen darf.

Eine erfolgreiche Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung wegen Nichtigkeit führt in der Regel zur Aufhebung des Urteils oder des Ausspruchs über die Strafe („kassatorische Entscheidung”). Eine inhaltliche Entscheidung ist ebenfalls möglich, kommt jedoch eher selten vor (“meritorische Entscheidung”).

Berufung wegen Schuld

Die Berufung wegen Schuld kritisiert die Beweiswürdigung des Erstgerichts. 

In Österreich dürfen Richter in freier Beweiswürdigung entscheiden, was sie nun als erwiesen erachten und was nicht (was sie “glauben” und was nicht). Zusammengefasst darf ein Richter in seiner Beweiswürdigung nicht der allgemeinen Lebenserfahrung und den Gesetzen logischen Denkens widersprechen. Um sich darunter etwas vorzustellen:

Ein Richter darf etwa in seiner Entscheidung nicht der Meinung sein, dass groß gewachsene Personen, öfter lügen und deshalb gemeinhin unglaubwürdig sind.  

Aus dem Umstand “A” (groß gewachsen), kann man nach den Gesetzen logischen Denkens nicht auf den Umstand “B” (öfter lügen) schließen. Dadurch verstößt das Erstgericht gegen die formalen Begründungsvoraussetzungen nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO und leidet das Urteil dadurch an Nichtigkeit.

Alles was jedoch innerhalb des ”Denkmöglichen”  liegt, ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung zulässig. Zum Beispiel ist es durchaus denkmöglich, dass ein Richter einem Zeugen in einem bestimmten Punkt Glauben schenkt, obwohl dieser im selben und auch in anderen Verfahren mehrmals nachweislich gelogen hat. Ein Richter kann auch auf die Idee kommen bei einem Belastungszeugen und 15 Entlastungszeugen dem einen Belastungszeugen zu folgen und die Angaben der anderen 15 zu verwerfen – das ist ihm unbenommen. Solange die Annahmen des Richters denkmöglich sind, leiden sie nicht an Nichtigkeit und sind rechtsstaatlich nachvollziehbar.

Aber wenn die Beweiswürdigung des Richters zwar denkmöglich, aber nicht nachvollziehbar ist, dann kann sie mit Berufung wegen Schuld bekämpft werden. 

Vorsicht, eine Berufung wegen Schuld ist bei kollegialgerichtlichen Entscheidungen (Urteile des Schöffengerichts und des Geschworenengerichts) nicht möglich. 

Die Überzeugungskraft von der richterlichen Beweiswürdigung kann NICHT mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den obersten Gerichtshof bekämpft werden. Aus der ständigen Rsp des OGH geht hervor, dass dies bei der Rechtsmittelerhebung oft übersehen wird (siehe Ris-Justiz). 

Das bedeutet, dass die Bekämpfung der (denkmöglichen) Beweiswürdigung des Erstgerichts nur bei einzelrichterlichen Entscheidungen zugelassen ist. Sobald jedoch Schöffen- oder Geschworene im Spiel sind, ist das faktisch nicht mehr möglich.

Wenn eine Berufung wegen Schuld von Erfolg gekrönt ist, dann kann das angerufene Gericht, nachdem es selbst die Beweiswürdigung noch einmal vorgenommen hat, in der Sache selbst entscheiden.

Berufung wegen Ausspruchs über die Strafe

Mit einer “Strafberufung” kann man die Höhe der Strafe bekämpfen. Darunter fällt auch die Frage, ob ein Teil oder die gesamte Strafe bedingt nachgesehen wird oder nicht. Bei der Strafberufung können stets neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden.

Il Es werden sämtliche “Berufungen” gegen einzelrichterliche Urteile als ein Rechtsmittel erhoben und zwar als “Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe”. Bei Rechtsmitteln gegen kollegialgerichtliche Urteile wird die “Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung” mit einem Schriftsatz eingebracht.

Verschlechterungsverbot

In Österreich gilt das sogenannte “Verschlechterungsverbot”. Das bedeutet, dass das Gericht, das über das Rechtsmittel entscheidet, keine ungünstigere Entscheidung über den Rechtsmittelwerber fällen darf und, dass im Falle des Durchdringens eines Rechtsmittels ein neues Urteil (das in einem allfälligen zweiten Rechtsgang ergeht) nicht ungünstiger für den Rechtsmittelwerber ausfallen darf, als das angefochtene Ersturteil. Dies gilt freilich nur dann, wenn die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel erhoben hat. Wenn beide Prozessparteien ein Rechtsmittel erhoben haben, kann das Urteil sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten abgeändert werden.

Chancen Berufung Strafrecht

Die Erfolgsaussichten einer Berufung im Strafrecht sind grundsätzlich eher als gering einzustufen, da die angerufene Rechtsmittelinstanz nicht ohne weiteres in bereits bestehende Urteile eingreift, wenn es nicht einen sachlich nachvollziehbaren Grund dafür gibt. Aus diesem Grund ist es umso ratsamer, einen vor allem in Hinblick auf Rechtsmittel erfahrenen Strafverteidiger mit der Verfassung eines Rechtsmittels zu betrauen, da dieser aufgrund der Erfahrung weiß, worauf die Rechtsmittelinstanzen Wert legen und worauf nicht.

Berufung Strafrecht Kosten

Die Kosten des Rechtsmittels hängen maßgeblich von der Art des Rechtsmittels und des voraussichtlichen Aufwands ab. Eine Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH samt Berufung an das OLG ist mit einem höheren Honorar verbunden als eine Berufung wegen Schuld gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes. Es ist sowohl eine Pauschalvereinbarung als auch eine Vereinbarung nach Stundensatz möglich. 

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Siehe auch Erfolge vor Höchstgerichten.