Freispruch – Wann wird man in Österreich freigesprochen? – Ihr Strafverteidiger Mag. Zaid Rauf

Das österreichische Strafverfahren weist verschiedene Stadien auf,  in denen sich eine Person wegen dem Vorwurf einer gerichtlich strafbaren Handlung verantworten muss. Es kann bisweilen ein langer Weg zu einer Einstellung oder zu einem Freispruch führen. In diesem Artikel möchte ich Ihnen einige wesentliche Aspekte des Strafverfahrens aufzeigen.

Was bedeutet Ermittlungsverfahren?

Nachdem ein sogenannter “Anfangsverdacht” gegen eine Person in die Kenntnis von Organen der Strafverfolgungsbehörden gelangt ist, wird ein “Ermittlungsverfahren” eingeleitet. Grundsätzlich leitet die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den nun “Beschuldigten” ein, doch werden die überwiegenden Ermittlungsmaßnahmen von der Kriminalpolizei vorgenommen. 

In seltenen Fällen kommt es vor, dass etwa eine Beschuldigteneinvernahme oder eine Zeugenvernehmung auch in Anwesenheit des zuständigen Staatsanwalts durchgeführt wird. Doch grundsätzlich fällt die Ermittlungstätigkeit in den Zuständigkeitsbereich der Kriminalpolizei. Bestimmte Maßnahmen, wie etwa eine Hausdurchsuchung oder eine molekulargenetische Untersuchung werden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft vorgenommen. 

Der Beschuldigte wird in der Regel zur polizeilichen Einvernahme geladen. Kommt er der Ladung nicht nach, ist es möglich, dass ein Ladungsbescheid erfolgt, der durch eine zwangsweise Vorführung vollstreckt werden kann. Es kommt nicht selten vor, dass die Kriminalpolizei den Beschuldigten telefonisch zum Erscheinen zu einem Einvernahmetermin auffordert. In einem solchen Fall empfiehlt es sich stets, eine schriftliche Ladung zu verlangen, da die Kriminalpolizei nicht immer anführt, ob es sich dabei um eine Ladung als Zeuge oder als Beschuldigter handelt. 

Dies stellt naturgemäß einen gravierenden Unterschied dar, da ein Zeuge kein Recht auf Akteneinsicht hat und immer wahrheitsgemäß und vollständig aussagen muss, hingegen darf ein Beschuldigter sich verantworten wie er möchte, die Aussage verweigern und zuvor Akteneinsicht nehmen. 

Offizialdelikte

 Beim überwiegenden Teil der Tatbestände im Strafgesetzbuch handelt es sich um sogenannte “Offizialdelikte” – das bedeutet, dass die Organe der Strafverfolgungsbehörden ab Kenntnis von einer Straftat von Amtswegen ermitteln müssen. Wie von Mandanten oft gefragt wird, ist es bei einem Offizialdelikt nicht möglich, dass das Opfer die Anzeige “zurückzieht”. 

Wie lange dauert es, bis ein Strafverfahren eröffnet wird?

  Grundsätzlich wird ein Strafverfahren dann eröffnet, wenn ein Organ der Strafverfolgungsbehörden einen Anfangsverdacht wahrgenommen hat. Dann ist dieses Organ sogar verpflichtet, die Ermittlungen aufzunehmen. Im Gegensatz zu anderen Ländern – wie etwa Deutschland – ergeht kein Beschluss auf Eröffnung des Ermittlungsverfahrens. Wie lange es dauert, bis ein Strafverfahren eröffnet wird, kann daher nicht einheitlich beantwortet werden. Es geht in der Regel sehr schnell. 

Ermächtigungs- und Privatanklagedelikte

Bei vereinzelten geringfügigen Tatbeständen handelt es sich um Ermächtigungs- bzw. Privatanklagedelikte. Bei einem Ermächtigungsdelikt benötigen die Strafverfolgungsorgane eben die “Ermächtigung” von der geschädigten Person (darunter fällt etwa der Hausfriedensbruch gem. § 109 Abs 1 StGB). Bei sogenannten Privatanklagedelikten ermitteln Strafverfolgungsbehörden gar nicht, sondern bringt das Opfer eine Privatanklage bei Gericht ein (etwa beim Vorwurf der “üblen Nachrede” gem. § 111 StGB). Jedoch sind Ermächtigungs- bzw. Privatanklagedelikte vereinzelt im Strafgesetzbuch zu finden und steht im jeweiligen Tatbestand ausdrücklich, dass es sich dabei eben nicht um ein Offizialdelikt handelt. 

Berichterstattungspflicht der Polizei

Die Polizei hat gegenüber der Staatsanwaltschaft in regelmäßigen Abständen eine Berichterstattungspflicht. Die Ermittlungen enden in der Regel mit einem Abschlussbericht den die Kriminalpolizei verfasst. Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob das Verfahren eingestellt wird (allenfalls auch mit dem Anbot einer diversionellen Erledigung) oder ob ein Strafantrag oder eine Anklage gegen den Beschuldigten eingebracht wird. 

In diesem Falle gelangt das Strafverfahren in das Stadium der Hauptverhandlung

Einstellung des Verfahrens

Die Staatsanwaltschaft kann jedoch auch das Verfahren einstellen – und das aus folgenden Gründen:

Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren einstellen, wenn sie der Ansicht ist, dass die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht.

Bei einer Einstellung wegen Geringfügigkeit stellt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein, wenn es sich um ein geringfügiges Vergehen (nur mit Geldstrafe oder Vergehen, das nur mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist) handelt und die Tat vor allem aufgrund des positiven Nachtatverhaltens des Täters einen außerordentlich geringen Schuldgehalt aufweist.

Hauptverhandlung

Bei der Hauptverhandlung entscheidet ein Richter darüber, ob der Angeklagte von den Vorwürfen freigesprochen oder schuldig gesprochen wird, sowie über Art und Höhe der Strafe. Je nach Beschaffenheit des Vorwurfs wird der Strafantrag oder die Anklage von einem Einzelrichter vor dem Bezirksgericht, von einem Einzelrichter vor dem Landesgericht oder von einem sogenannten Kollegialgericht (Schöffengericht mit zwei Laienrichter oder Geschworenengericht mit Acht Laienrichtern) behandelt. Anwesend bei der Hauptverhandlung ist der Angeklagte, die Verteidigung, ein Vertreter der Staatsanwaltschaft, sowie das Gericht in der entsprechenden Besetzung. 

In der Hauptverhandlung werden zunächst die Personalien des Angeklagten noch einmal vom Gericht erörtert, daraufhin wird er über seine Rechte belehrt und aufgefordert dem Gang der Verhandlung aufmerksam zu folgen. Die Staatsanwaltschaft trägt dann die Anklage oder den Strafantrag vor, woraufhin der Verteidiger ein Eröffnungsplädoyer halten kann. Aus meiner Erfahrung ist ein Eröffnungsplädoyer entscheidend, da bereits zu Beginn der Verhandlung auf die – aus der Sicht der Verteidigung – wichtigen Punkte aufmerksam gemacht wird und allenfalls die Laienrichter (die im Gegensatz zu den Berufsrichtern den Akt zu diesem Stadium nicht kennen) hinsichtlich bestimmter entscheidender Punkte sensibilisiert werden. Das Eröffnungsplädoyer ist somit vor allem bei schöffengerichtlichen- und Geschworenenverfahren äußerst wichtig für die Verteidigung.

Nach den Eröffnungsvorträgen wird der Angeklagte vom Gericht befragt, anschließend von der Staatsanwaltschaft und dann haben Privatbeteiligte (Vertreter der Geschädigten, die Schadenersatz begehren) und der Verteidiger die Gelegenheit Fragen zu stellen. 

Anschließend wird das Beweisverfahren eröffnet, bei dem Zeugen einvernommen werden und die Verfahrensbeteiligten in der soeben genannten Reihenfolge die Möglichkeit haben Fragen zu stellen. Im Beweisverfahren werden sämtliche für die Entscheidung notwendigen Beweismittel in der Hauptverhandlung erörtert – etwa auch allfällige Gutachten. 

Zum Schluss werden die Verfahrensbeteiligten aufgefordert allenfalls noch Beweisanträge zu stellen und wird sodann der gesamte oder wesentliche Akteninhalt verlesen oder zusammengefasst vorgetragen. 

Anschließend haben die Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit die Schlussvorträge zu halten. Auch das Schlussplädoyer ist sehr wichtig für die Verteidigung, da dies der letzte Eindruck ist, den die Richter vor Verkündung des Urteils vermittelt bekommen. Auch hier ist anzuführen, dass gerade bei laiengerichtlichen Verfahren beim Schlussplädoyer einiges von einem erfahrenen Strafverteidiger bewirkt werden kann.

Daraufhin wird das Urteil (bei kollegialgerichtlichen Verfahren nach einer eingehenden Beratung der Laien durch die Berufsrichter) verkündet.

Das Urteil

Ein Verfahren kann mit einem Freispruch oder aber mit einem Schuldspruch enden.

Das Gericht verurteilt den Angeklagten, wenn es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass er die Tat begangen hat. 

Verurteilung ohne Beweise?

Viele stellen sich (oder auch mir) die Frage, ob es möglich ist auch ohne Beweise verurteilt zu werden. Dabei wird oft übersehen, dass in Österreich auch (belastende) Zeugenaussagen als Beweise gewertet werden. In sehr großen und aufwendigen  Verfahren hat es nicht immer eine “smoking Gun” gegeben – also ein Beweisergebnis aus dem man direkt den Schuldnachweis hätte ableiten können und dennoch ist es zu mehrjährigen Freiheitsstrafen gekommen (siehe BUWOG Urteil). Der Grund dafür ist, dass es in Österreich keine gebundene, sondern eine sogenannte “freie Beweiswürdigung” gibt. Das bedeutet, dass der Richter – solange er denkmöglich und lebensnahe argumentiert – an keine festen Beweisregeln gebunden ist. Wenn das Gericht also der Auffassung ist, dass (plakativ gesprochen) 49 Zeugen, die den Angeklagten entlasten, die Unwahrheit sprechen und ein Zeuge, der den Angeklagten belastet, glaubwürdig ausgesagt hat, dann kann es den Angeklagten dennoch verurteilen.

Freispruch

Zu einem Freispruch kommt es in der Regel dann, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, dass die dem Angeklagten vorgeworfene Tat keine strafbare Handlung darstellt, da bestimmte Tatbestandsmerkmale der vorgeworfenen Tat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Gericht festgestellt werden können oder das Gericht zum Ergebnis kommt, dass Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben. 

Das bedeutet mit anderen Worten, dass das Gericht nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit annehmen kann, dass der Angeklagte die Tat begangen hat oder aber, dass die Tat aufgrund des Bestehens einer Notwehr oder Nothilfesituation, einem entschuldigenden Notstand, einem Rücktritt vom Versuch, aufgrund von tätiger Reue oder der Annahme von Zurechnungsunfähigkeit nicht strafbar ist.

Es gibt noch weitere Gründe für einen Freispruch, die jedoch in der Praxis eher selten vorkommen – etwa dann, wenn die Staatsanwaltschaft von der Anklage nach Eröffnung der Hauptverhandlung zurücktritt, oder bei einem Ermächtigungsdelikt die Zustimmung zur Verfolgung nicht erteilt wurde. 

Freispruch im Zweifel

Sicherlich ist den meisten der sogenannte “Zweifelsgrundsatz” gem. § 14 StPO bekannt. Entsprechend dem Zweifelsgrundsatz ist der Angeklagte freizusprechen, wenn aufgrund gewisser Umstände nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit angenommen werden kann, dass bestimmte für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsachen vorliegen oder nicht. In der Praxis ist dieser Zweifelsgrundsatz vor allem bei bestimmten Wertgrenzen von Bedeutung. Etwa dann, wenn nicht mit Sicherheit feststeht, welche Menge oder welche Qualität das Suchtgift bei SMG Delikten aufweist oder welcher Schadenbetrag tatsächlich dem Angeklagten vorgeworfen werden kann. 

Rechtsmittelverfahren

Wenn die Staatsanwaltschaft oder der Angeklagte (und in bestimmten Fällen auch das privatbeteiligte Opfer) mit dem Urteil nicht zufrieden sind, besteht die Möglichkeit gegen das Urteil eine Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe oder eine Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu erheben. 

In der Praxis

Das Strafverfahren hat mehrere entscheidende Situationen, in denen eine gut durchdachte Strategie seitens der Verteidigung darüber entscheidet, wie das Verfahren ausgehen kann. Insbesondere die Einvernahme im Ermittlungsverfahren und das Beweisverfahren in der Hauptverhandlung sind kritische strategische Punkte, bei denen ein erfahrener Strafverteidiger wichtige Entscheidungen zu treffen hat. 

Da ich bereits sehr viele Strafverfahren erfolgreich für meine Mandanten erledigen konnte, freut es mich, Ihnen in Ihrem Strafverfahren tatkräftig zur Seite zu stehen.