Die wichtigsten Informationen zur Diversion in Österreich
In Österreich besteht die Möglichkeit, dass ein Strafverfahren nicht mit einer Verurteilung oder einem Freispruch endet, sondern mit einer diversionellen Erledigung nach § 198 StPO (Diversion).
Sie finden hier einige Informationen zum diversionellen Vorgehen nach §§ 198 ff StPO damit Sie sich einen ersten Überblick verschaffen können. Wenn Sie eine eingehende Rechtsberatung wünschen oder aber bereits ein Diversionsanbot seitens der Staatsanwaltschaft erhalten haben, dann können Sie mich gerne anrufen oder mir eine Email schreiben und ich freue mich mit Ihnen einen Termin für ein erstes Gespräch zu vereinbaren.
Strafverteidiger Mag. Zaid Rauf: Ihr Anwalt für Strafrecht in Wien:
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Was ist eine Diversion?
Eine Diversion ist keine Verurteilung und auch keine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190, 191 StPO. Am ehesten kann die Diversion als “Einigung” mit den Strafverfolgungsbehörden erachtet werden, bei der es zu keiner Eintragung im Strafregister kommt. Die Diversion ist sozusagen eine rechtsstaatliche Reaktion auf ein Fehlverhalten, ohne die Intensität einer Verurteilung aufzuweisen.
Die Diversion im Strafrecht
Zunächst muss der Sachverhalt “hinreichend geklärt” sein. Das bedeutet, dass die Ermittlungen bereits abgeschlossen sein müssen und die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis gelangt ist, dass das Verfahren nicht nach §§ 190 bis 192 StPO eingestellt werden kann. Bei genauerer Betrachtung muss die Staatsanwaltschaft der Ansicht sein, dass eine Verurteilung nahe liegt.
Wenn jedoch Staatsanwaltschaft zum Ergebnis gelangt, dass obwohl eine Verurteilung nahe liegt, es nicht erforderlich ist, den Täter im Sinne des Strafgesetzbuches zu bestrafen, sondern der Täter durch andere Maßnahmen von der Begehung weiterer Taten abgehalten werden kann, dann kann die Staatsanwaltschaft „diversionell“ vorgehen.
Doch müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, damit die Staatsanwaltschaft ein diversionelles Vorgehen in Betracht ziehen kann.
Voraussetzungen für eine Diversion:
- Die Tat darf nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sein
Damit fallen sehr viele Tatbestände weg, bei denen das Gesetz eine hohe Strafdrohung vorsieht, wie etwa schwere Gewaltdelikte wie absichtlich schwere Körperverletzung (§ 87 StGB), oder Körperverletzungen mit Dauerfolgen (§ 85 StGB). Von der Diversion ausgeschlossen sind deshalb auch Vermögensdelikte mit einem EUR 300.000,– übersteigenden Schaden.
- Die Schuld des Beschuldigten darf nicht als “schwer” angesehen werden.
Das bedeutet, dass die Tat innerhalb des deliktstypischen Spektrums keine besondere Intensität aufweisen darf. Mit anderen Worten, innerhalb der typischen Begehungsweise darf die Tat nicht außerordentlich verwerflich sein oder besonders massive Folgen nach sich ziehen.
Dazu der Oberste Gerichtshof (Ris – Justiz, RS0122090):
Der Begriff “schwere Schuld“ umfasst das vom Verdächtigen verwirklichte deliktstypische Handlungsunrecht, das verschuldete Erfolgsunrecht, die als Gesinnungsunwert bezeichnete täterspezifische Schuld und darüber hinausgehend alle für die Bestimmung der Strafe sonst noch bedeutsamen Umstände im Sinn des §§ 32 ff StGB, somit Faktoren vor, nach und neben der Tatbestandserfüllung. Die Bewertung dieser Kriterien erfolgt dabei durch eine Gesamtbetrachtung aller nach Lage des konkreten Falls maßgeblichen Kriterien.
- Die Tat darf nicht den Tod des Opfers nach sich gezogen haben.
Hier sieht das Gesetz jedoch eine Ausnahme vor, und zwar im Falle, dass es sich bei der verstorbenen Person um einen Angehörigen gehandelt hat, der durch fahrlässiges Verhalten des Täters zu Tode gekommen ist.
Diversion Schuldeingeständnis
Als weitere Voraussetzung sieht die Rechtsprechung eine Verantwortungsübernahme des Angeklagten vor.
Dazu der OGH (Ris – Justiz, RS0130304):
Die Möglichkeit einer Diversion hängt unter anderem auch von der Haltung des Beschuldigten ab und setzt Schuldeinsicht, demnach seine Bereitschaft voraus, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen.
Diese Verantwortungsübernahme muss nicht die Qualität eines umfassenden und reumütigen Geständnisses erreichen, wie der Oberste Gerichtshof dazu festhält Ris – Justiz, RS0130304:
Die Bereitschaft zu diversioneller Vorgangsweise indiziert idR die erforderliche Verantwortungsübernahme sowie die Akzeptanz der Diversion als Bestätigung der Normgeltung. Ein das Unrecht des Gesamtverhaltens, also auch alle Begleiterscheinungen der Tat mitumfassendes Schuldeinbekenntnis ist hingegen nicht Diversionsvoraussetzung.
Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Beschuldigter eine Verantwortungsübernahme tätigen soll, ist in der Praxis oftmals nicht einfach zu beantworten und bedarf es für einen Verteidiger viel Erfahrung, um jene “Gratwanderung” zu bewältigen. Die Schwierigkeit liegt darin eine solche Verantwortungsübernahme zu tätigen ohne jedoch in Hinblick auf die schwere der Schuld zu viel preiszugeben bzw. ein für ein allfälliges Zivilverfahren bedeutsames Anerkenntnis zu tätigen.
Vorstrafen und bereits erfolgte diversionelle Erledigungen
Vorstrafen schließen ein diversionelles Vorgehen aus, da aus spezialpräventiven Gründen bei einer (vor allem einschlägigen Vorstrafe) nicht davon ausgegangen werden kann, dass die mit der Diversion verbundenen Maßnahmen geeignet sind den Täter vor weiteren gleichartigen Taten abzuhalten. Einfach ausgedrückt – der Gesetzgeber befürchtet, dass eine Diversion “zu wenig” ist, um den Täter von weiteren Taten abzuschrecken, wenn er zuvor bereits einmal verurteilt wurde.
Eine bereits zuvor erfolgte Diversion (insbesondere eine wegen einem gleichartigen Delikt) schließt in der Regel eine weitere Diversion aus.
Welche Diversionsmaßnahmen drohen dem Beschuldigten?
Das Gesetz sieht einige Maßnahmen vor, die mit einer diversionellen Erledigung verbunden sind und zwar:
- Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 StPO)
- Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201 StPO)
- Bestimmung einer Probezeit in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung bestimmter Pflichten (§ 203 StPO)
- einem Tatausgleich (§ 204 StPO).
Um welchen Geldbetrag handelt es sich?
Die Diversionsmaßnahme kann in der Zahlung eines Geldbetrags erfolgen. Es ist möglich einen Aufschub und auch eine Ratenzahlung zu beantragen, wenn der Betrag den Täter unbillig hart träfe.
Gemeinnützige Leistungen (im Volksmund auch “Sozialarbeit” oder “Sozialstunden” genannt):
Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht können den Beschuldigten dazu bestimmen, gemeinnützige Tätigkeit in einem festgelegten Ausmaß (etwa 60 – 80 h) zu verrichten. Dies erfolgt in Zusammenwirken mit dem Verein Neustart, der gemeinsam mit dem Beschuldigten eine Stelle für die gemeinnützige Leistung organisiert. Die gemeinnützige Tätigkeit muss binnen eines halben Jahres geleistet werden.
Bestimmung einer Probezeit und die Weisung bestimmter Pflichten:
Dem Beschuldigten kann auch eine Probezeit auferlegt werden, in der er sich keinerlei strafbare Handlungen zu Schulden kommen lassen darf. Sollte er innerhalb der eingeräumten Probezeit – etwa in der Dauer von zwei Jahren – doch eine strafbare Handlung begehen, so kann das bereits diversionell vorläufig eingestellte Verfahren neuerlich aufleben und es kann zu einer Verurteilung kommen. Die Probezeit kann gemeinsam mit Weisungen ausgesprochen werden – etwa, dass der Beschuldigte sich einer Anti – Aggressions Therapie unterziehen muss.
Tatausgleich
Beim Tatausgleich leistet der Beschuldigte einen Schmerzengeldbetrag an den Geschädigten oder entschädigt den Geschädigten auf andere Art und Weise, indem er etwa den zugefügten Vermögensschaden wiedergutmacht.
Diversion Jugendstrafrecht Österreich
Die Diversion bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist einigen Erleichterungen zugänglich und wird die Diversion gem. § 6 und § 7 JGG bei geringfügigen Vergehen im Jugendstrafrecht seitens der Justiz bevorzugt angewendet.
Was tun, wenn es zu keiner Diversion kommt, obwohl die Voraussetzungen vorliegen?
Es gibt Fälle, in denen das Gericht trotz Vorliegens der Diversionsvoraussetzungen dennoch zum Ergebnis gelangt, dass nicht mit einer Diversion vorzugehen ist.
In einem solchen Fall kann das Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtigkeit aus dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10a StPO erhoben werden, der sogenannten “Diversionsrüge”.
In einem solchen Rechtsmittel hat der Rechtsmittelwerber darzulegen weshalb das Erstgericht doch mit einer Diversion hätte vorgehen müssen.
Diversion Bedeutung
Die Diversion bietet den (enormen) Vorteil einer strafrechtlichen Verurteilung und damit verbundenen Konsequenzen zu entgehen, weshalb es nicht selten vorteilhafter ist ein Diversionsangebot anzunehmen oder sogar die gesamte Verteidigungsstrategie dahingehend zu gestalten, dass ein Diversionsanbot seitens der Staatsanwaltschaft oder letztlich vom Gericht erfolgt.